Die rechtliche Betreuung in Deutschland ist ein unverzichtbarer Bestandteil unseres Sozialsystems. Sie stellt sicher, dass Menschen, die ihre Angelegenheiten aufgrund von Alter, Krankheit oder Behinderung nicht mehr selbst regeln können, Unterstützung erhalten. Doch genau dieses System gerät zunehmend unter Druck: Es fehlen sowohl ehrenamtliche als auch berufliche Betreuer.
Ehrenamtliche Betreuer – viel Verantwortung, wenig Nachwuchs
Immer häufiger hört man in den Kommunen den Aufruf: „Ehrenamtliche Betreuer dringend gesucht!“ Der Bedarf steigt, doch die Zahl der Freiwilligen sinkt. Viele Menschen scheuen die zeitliche Belastung, andere fühlen sich der Verantwortung nicht gewachsen. Zwar gibt es eine kleine Aufwandsentschädigung pro Betreuungsfall, doch diese ist eher symbolisch und nicht als Vergütung zu verstehen.
Hinzu kommt: Seit dem 1. Januar 2023 gelten auch für ehrenamtliche Betreuer höhere Anforderungen. Sie müssen enger mit den Betreuungsbehörden zusammenarbeiten, die Wünsche der betreuten Person noch stärker berücksichtigen und ihre Entscheidungen besser dokumentieren. Das bedeutet: mehr Aufwand, mehr Verantwortung – aber nicht mehr Anerkennung.
Betreuungsvereine bieten zwar Beratung und Unterstützung, trotzdem bleibt die Suche nach neuen Ehrenamtlichen schwierig. Einfache Fälle gehen in der Regel an Ehrenamtliche.
Berufsbetreuer – zwischen hoher Verantwortung und zu geringer Vergütung
Auch auf Seiten der Berufsbetreuer sieht es nicht besser aus. Der Beruf bringt viel Verantwortung mit sich: Entscheidungen über Finanzen, medizinische Behandlungen oder die Wohnsituation von Menschen liegen in ihren Händen. Fehler können schwerwiegende Folgen haben – und im Zweifel haften Betreuer sogar persönlich. Eine teure Haftpflichtversicherung ist Pflicht.
Dazu kommt die Vergütung nach dem Vormünder- und Betreuervergütungsgesetz (VBVG). Die Pauschalen gelten vielen als nicht kostendeckend. In Zeiten von Inflation und steigenden Kosten wirkt der Beruf dadurch unattraktiv.
Seit der Reform des Betreuungsrechts benötigt ein Betreuer einen Sachkundenachweis für die Registrierung. Erst wenn die Registrierung abgeschlossen ist, kann ein Betreuer Klientenanfragen annehmen – ein zusätzlicher Schritt, der Interessierte abschrecken kann.
Die Folge: Immer weniger Menschen entscheiden sich für diesen Beruf. Viele aktive Berufsbetreuer nehmen daher mehr Fälle an, als eigentlich verantwortungsvoll zu bewältigen wäre. Zwar sind sie nicht verpflichtet, jede Anfrage anzunehmen – theoretisch können sie jederzeit Nein sagen –, doch in der Praxis führt der Mangel oft zu einer Überlastung.
Wenn Betreuungsfälle unbesetzt bleiben
Was bedeutet das für die Betroffenen? Bleiben Fälle länger unbesetzt, verzögern sich wichtige Entscheidungen – etwa über medizinische Eingriffe oder finanzielle Angelegenheiten. Für die betroffenen Menschen kann das gravierende Nachteile haben.
Wenn keine Ehrenamtlichen gefunden werden, wird auch ein Berufsbetreuer für einen einfachen Fall angefragt. Können aber auch Berufsbetreuer keine neuen Klienten mehr übernehmen, springt die Betreuungsbehörde ein. Dann müssen die Mitarbeiter zusätzlich zur alltäglichen Verwaltungsarbeit noch Betreuungen führen. Das bindet Ressourcen, die eigentlich für die Gewinnung neuer Betreuer gebraucht würden – ein Teufelskreis.
Die rechtliche Betreuung ist damit ein System, das derzeit an seine Grenzen stößt. Und je länger der Nachwuchsmangel anhält, desto schwieriger wird es, die Versorgung dauerhaft sicherzustellen.
Was sich ändern muss
Damit die Betreuung wieder attraktiver wird, braucht es Veränderungen:
- Bessere Vergütung für Berufsbetreuer, die ihre hohe Verantwortung widerspiegelt.
- Mehr Anerkennung für ehrenamtliche Betreuer, damit ihr Engagement sichtbarer wird.
- Gezielte Öffentlichkeitsarbeit, um die Bedeutung der Betreuung ins Bewusstsein der Gesellschaft zu rücken.
- Entlastung durch Behörden, damit Betreuer sich auf ihre eigentliche Aufgabe konzentrieren können – die Unterstützung der Menschen.
Fazit
Ob ehrenamtlich oder beruflich – Betreuer sind eine tragende Säule unseres Sozialsystems. Doch Nachwuchsmangel und steigende Anforderungen gefährden die Stabilität dieses Systems. Ohne entschlossene Verbesserungen droht ein ernstes Versorgungsproblem. Jetzt ist der Zeitpunkt, die Rahmenbedingungen so zu gestalten, dass Betreuung wieder ein Engagement ist, das Menschen gerne und mit Überzeugung übernehmen.
Quellen
- ZDF heute journal: Rechtliche Betreuer am Limit
- ZDF heute: Gesetzliche Betreuung – wie das System funktioniert
- SWR Aktuell: Bundesrat entscheidet über Inflationsausgleich für Berufsbetreuer
- Landkreis Wittenberg: Ehrenamtliche Betreuer und Berufsbetreuer gesucht
- https://www.lexikon-betreuungsrecht.de/Betreuer_(Ehrenamt)#Ehrenamtlichkeit