Zwischen Fürsorge und Recht: Wenn Betreuer*innen für Menschen mit Beeinträchtigungen handeln
Wer als Betreuer*in tätig ist, übernimmt Verantwortung – nicht nur für Finanzen und Gesundheit, sondern auch für die Wahrnehmung von Rechten. Ein zentrales Thema dabei: der Grad der Behinderung (GdB) und der Schwerbehindertenausweis.
Doch was ist zu beachten, wenn der GdB unter 50 liegt? Welche Rechte bestehen, und wie können Betreuer*innen helfen, dass die betreute Person trotzdem bestmöglich unterstützt wird?
Grundlegendes: GdB, Schwerbehinderung und Ausweis
Der Grad der Behinderung (GdB) beschreibt, wie stark eine körperliche, geistige oder seelische Beeinträchtigung die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft einschränkt. Er wird in Zehnerschritten zwischen 20 und 100 festgelegt. Entscheidend ist dabei nicht die Diagnose selbst, sondern wie stark sie den Alltag beeinflusst.
Ab einem GdB von 50 gilt eine Person rechtlich als schwerbehindert und kann einen Schwerbehindertenausweis beantragen. Wer einen GdB zwischen 30 und 40 hat, kann sich unter bestimmten Voraussetzungen gleichstellen lassen, wenn dadurch zum Beispiel der Arbeitsplatz gesichert werden kann.
Der Schwerbehindertenausweis ist mehr als nur ein Nachweis – er öffnet Türen zu Nachteilsausgleichen wie Steuerfreibeträgen, Zusatzurlaub, Kündigungsschutz, Parkerleichterungen, Freifahrten oder Ermäßigungen.
Wenn der GdB unter 50 liegt: Rechte, Chancen und Pflichten
Ein GdB unter 50 bedeutet nicht, dass keine Unterstützung möglich ist. Im Gegenteil: Gerade hier ist das Engagement der Betreuer*innen gefragt.
1. Gleichstellung prüfen
Wer einen GdB ab 30 hat, kann bei der Agentur für Arbeit eine Gleichstellung mit schwerbehinderten Menschen beantragen. Damit erhält die Person in bestimmten Bereichen denselben Schutz wie schwerbehinderte Menschen, etwa beim Kündigungsschutz oder bei der Arbeitsplatzsicherung.
2. Antragstellung sorgfältig begleiten
Betreuer*innen sollten darauf achten, dass alle medizinischen Unterlagen vollständig sind und die Einschränkungen im Alltag möglichst genau beschrieben werden. Auch Fristen sind wichtig: Ein Widerspruch gegen einen Bescheid muss meist innerhalb eines Monats eingelegt werden.
Wenn sich der Gesundheitszustand verschlechtert, kann jederzeit ein Neufeststellungsantrag gestellt werden.
3. Merkzeichen prüfen
Neben dem GdB sind sogenannte Merkzeichen wichtig, zum Beispiel „G“ (gehbehindert), „B“ (Begleitperson erforderlich) oder „H“ (hilflos). Diese können zusätzliche Rechte bringen – etwa Steuervergünstigungen oder Befreiungen. Betreuer*innen sollten prüfen, ob entsprechende Merkzeichen beantragt oder nachträglich ergänzt werden können.
4. Fristen und Bescheide im Blick behalten
Bescheide müssen sorgfältig geprüft, Fristen dokumentiert und Entscheidungen gegebenenfalls angefochten werden. Eine gute Aktenführung hilft, im Zweifel den Überblick zu behalten und die Rechte der betreuten Person effektiv wahrzunehmen.
5. Aufklärung und Teilhabe fördern
Ein wesentlicher Bestandteil der Betreuung ist die Aufklärung der betreuten Person. Sie sollte verstehen, welche Rechte sie hat und welche Schritte notwendig sind. So entsteht Teilhabe auf Augenhöhe – ein zentraler Gedanke im Betreuungsrecht.
Beispiel: Rechte ab GdB 50
Ab einem GdB von 50 gelten erweiterte Rechte: Steuerfreibeträge, Zusatzurlaub, Kündigungsschutz, früherer Renteneintritt und Unterstützung bei der Arbeitsplatzerhaltung. Dieses Wissen hilft, die Situation bei einem niedrigeren GdB besser einzuordnen und gezielt auf eine Gleichstellung oder Höherstufung hinzuarbeiten.
Fazit: Betreuerinnen als Brückenbauerinnen
Ein GdB unter 50 ist kein Grund zur Passivität – vielmehr beginnt hier die aktive Unterstützung. Betreuer*innen können durch umsichtiges Handeln, rechtzeitige Anträge und gute Dokumentation entscheidend dazu beitragen, dass Menschen mit Beeinträchtigungen die Unterstützung erhalten, die ihnen zusteht.
Wie ein Betroffener es einmal treffend formulierte:
„Nicht der GdB entscheidet über Würde und Teilhabe – sondern, ob jemand an deiner Seite steht, der sich auskennt.“
📚 Quellenangabe